Wanda Feuerherm

Wanda Feuerherm mit ihrem Sohn in der Laubenkolonie Dreieinigkeit
Wanda Feuerherm mit ihrem Sohn in der Laubenkolonie Dreieinigkeit

Widerstand gab es in vielen unterschiedlichen Formen. Die sogenannten „Unbesungenen Held*innen“ werden hierbei oft übersehen, jedoch steht ihr Einsatz für das Leben ihrer verfolgten Mitbürger*innen dem aktiven Widerstand anderer Antifaschist*innen in nichts nach.
Zum Beispiel überliessen Erika und Kurt Wilke aus der Hauptstraße 68 mehreren Verfolgten ihre Wohnung und stellten auch Lebensmittel zur Verfügung. So kam u. A. Felix Moses mit Frau und Kind Mitte 1944 drei Monate bis zur Ausbombung hier unter. Weitere illegale Quartiere für Untergetauchte gab es in Lichtenberg in den Häusern Alt-Friedrichsfelde 95, Frankfurter Allee 334 und Grünberger Straße 77.

Aber nicht nur im Innenstadtbereich, sondern auch in den etwas abgelegenen Laubenkolonien in Friedrichsfelde und in den Vorstadtsiedlungen von Biesdorf, Kaulsdorf und Mahlsdorf gab es solidarischen Widerstand.
Der jüdische Widerstandskämpfer Gad Beck und der jüdische Entertainer, Moderator & Regisseur Hans Rosenthal berichten später von ihren Erinnerungen von Verstecken in den Lichtenberger Laubenkolonien Hönower Weg und Dreieinigkeit. Das gleiche Taten Margarete Kudoll und Vera Lagrange (geb. Feuerherm) in der Dokumentation „Juden in Lichtenberg“. Exemplarisch für die vielen Helfenden, wollen wir Wanda Feuerherm, Ida Jauch, Emma Harndt und Maria Schönebeck vorstellen. Die Schilderungen sind so im Buch „Widerstand in Friedrichshain und Lichtenberg“ von Hans-Rainer Sandvoß entnommen.

Etwa einen Kilometer nördlich von hier befand sich die Laubenkolonie „Dreieinigkeit“. Hier versteckte Wanda Feuerherm die Jüdin Gerda Segal. Als „Verwandte auf Durchreise“ erklärte sie gegenüber Nachbar*innen und den eigenen Kindern die Anwesenheit einer Fremden Person in ihrer Laube.
Aron Segal, einst Inhaber eines großen Pelzgeschäfts in Friedrichshain, hatte die Absicht gehabt, mit seiner Frau und den Kindern Gerda und Jerry Anfang der vierziger Jahre in die USA auszuwandern. Seit Herbst 1941 war dies jedoch nicht mehr möglich. Die Segals, die längst ihre Wohnung in der Lichtenberger Kielblockstraße 2 hatten räumen müssen, waren in großer Not und erinnerten sich an ihre frühere Kundin Wanda Feuerherm. Die besorgte ein Versteck auf einem Dachboden und nahm Gerda Segal zu sich in die Kolonie. Gerda, bald im Besitz falscher Papiere, gab sich bei Fahrten in der Stadt als Mutter der kleinen Vera Feuerherm aus und hatte dabei tatsächlich Glück. Auch ihre Familienmitglieder konnten aufgrund des Ideenreichtums von Wanda Feuerherm in immer wieder neuen illegalen Quartieren durch die gefährliche Zeit kommen. Nachts, wenn Fliegeralarm die Straßen und Plätze leerte, machte sich Frau Segal heimlich auf den Weg in die Laubenkolonie und holte dort jene Lebensmittel ab, die der Garten für alle hergab. Doch im Herbst 1944 veränderte eine Gestapokontrolle in der Laube die Situation grundlegend. Kein Illegaler durfte diesen Ort nunmehr aufsuchen. Gerda Segal kam dankenswerterweise bei einer alten Dame unter.

Nach der Befreiung trafen die Überlebenden wieder glücklich aufeinander. Wanda Feuerherm, über Jahre die Beschützerin von vier Menschen und dadurch in steter Anspannung und Sorge, erlitt schon bald nach dem Ende der Diktatur einen Nervenzusammenbruch. Die Ehrung in Israel (1990) als eine „Gerechte unter den Völkern“ erlebte sie leider nicht mehr. Familie Segal war bereits 1949 in die USA ausgewandert. Der älteste Sohn war ein Opfer der Verfolgung geworden. Erna Segal schrieb in den USA einen über dreihundert Seiten umfassenden Bericht über ihre Erlebnisse, der heute im Leo Baeck-lnstitut (New York) aufbewahrt wird. Darin wird deutlich, dass sich allein im Fall dieser Familie über zwanzig Menschen zur Hilfe bereitfanden.
Aber nur eine Minderheit war so uneigennützig, dafür kein Geld zu nehmen. Ständig auf der Flucht und Suche nach neuen Verstecken, konnte sich die verfolgte jüdische Familie dabei auf einige selbstlose Helfer ganz besonders verlassen. Neben der Lichtenbergerin Wanda Feuerherm waren es die beiden Freundinnen Hilde und Marie, die am Schlesischen Bahnhof wohnten, und Dr. Fritz Aub aus der Frankfurter Allee 336. Er sorgte nicht allein als Mediziner für die Familie und rettete Erna Segals Ehemann das Leben, sondern knüpfte auch wichtige Kontakte zu anderen Helfer*innen. Als sehr nützlich erwiesen sich dabei Verbindungen zur katholischen Kirche, darunter eine Gemeinde nahe der Petersburger Straße. ln einem Kloster außerhalb Berlins – vermutlich bei Strausberg – wurde Erna Segal wiederholt aufgenommen und betreut.