Ida Jauch, Emma Harndt, Maria Schönebeck

Maria Schönbeck mit Familie
Maria Schönbeck mit Familie

Auch der beliebte Rundfunk- und Fernsehmoderator Hans Rosenthal fand Zuflucht in der Kolonie Dreieinigkeit. Frau Jauch, die in dieser Lichtenberger Laubenkolonie einen winzigen Textilladen betrieb, war der jüdischen Familie des jungen Hans Rosenthal durch gemeinsame Geschäfte vertraut. Darum wandte sich Rosenthal im Frühjahr 1943 auf Vorschlag seiner Großeltern an diese Bekannte, als er durch die verschärfte Verfolgung der Jüd*innen in akute Gefahr geriet. Sein Bruder Gert war bereits deportiert worden, die Eitern lebten nicht mehr. Die sehr christlich eingestellte Händlerin schickte den Verzweifelten nicht fort, sondern nahm sich seiner an, konnte ihm aber nur ein sehr bescheidenes Quartier überlassen: ein Verschlag von etwa vier Quadratmetern hinter einer Tapetentür verborgen, bestückt mit einer winzigen Luke. Ab und zu kam Hans‘ Großmutter vorbei und brachte etwas Brot und ein paar Kartoffeln. Er bat sie eindringlich, ihm nicht zu sagen, wo sich andere untergetauchte Familienmitglieder

aufhielten, damit er im Falle seiner Festnahme nicht auch noch andere verriet.
Rosenthal schreibt in seinem Lebensbericht, wie sehr ihn damals trotz aller Fürsorge seiner Beschützerin Verlassenheit und Einsamkeit im Versteck quälten. Nur nachts bei Fliegeralarm konnte er seinen Verschlag verlassen und in freier Luft atmen. Um ihm die Zeit etwas sinnvoll zu vertreiben, besorgte Frau Jauch
von der ihr gut bekannten kommunistischen Familie Harndt die dort abonnierte „Berliner Morgenpost“ zur Lektüre. Ein anderes Mal trieb sie für ihn eine Europakarte und farbige Stecknadeln zur Markierung des sich schnell wandelnden Frontverlaufs auf. Rosenthal sagte später darüber:

„[Die] … Bewegung der Fronten sorgten bei mir für ausreichenden Optimismus.“

Es war ein schwerer persönlicher Schicksalsschlag, als Frau Jauch im Sommer 1944 starb. Bei Harndts konnte er nicht untertauchen, weil sie als alte Kommunist*innen selbst unter Beobachtung standen. Vertrauensvoll wandte sich der Hilfesuchende daraufhin an eine weitere Laubenbewohnerin, von der er wusste, dass sie eine Gegnerin des NS-Regimes war: Frau Schönebeck. Auch sie nahm ihn auf und wagte damit sehr viel. Schwieriger als bei Frau Jauch, die als Geschäftsfrau manches zuverdienen konnte, gestaltete sich nun die Verpflegung Rosenthals, denn sie besaß nur die karge Lebensmittelkarte für „Normalverbraucher“. Rosenthal berichtete später:

„Es reichte nicht. Wir hungerten um die Wette, und mir blieben die wenigen Bissen im Hals stecken“.

Nun wurden Nachbar*innen, wie Familie Nemnich und einige andere Bewohner*innen der Kolonie, eingeweiht – sie halfen, aber das Risiko für den Untergetauchten wurde nun noch größer. Bald musste aufgrund der zunehmenden Bombardierungen ein Behelfsbunker aus Balken und Erde gebaut werden. Hans Rosenthal (1925-1987) schreibt in seinen Erinnerungen:

„Aber mit der Zeit füllte sich unser kleiner selbstgemachter Bunker. Frau Harndt kam bei Alarm, die Nemnichs kamen und später auch Leute, die ich noch nie gesehen hatte. Zuletzt waren wir mindestens zehn Menschen in diesem Unterstand, wenn draußen die Bomben fielen. Aber keiner dieser Menschen hat mich verraten. Keiner. Ich habe es nicht vergessen.“

ln der letzten Aprilwoche des Jahres 1945 traf Rosenthal am Hohenschönhauser Weg schließlich den ersten Sowjetsoldaten. Doch die Zeit der Befreiung nach zwei Jahren „Gefängnis“ brachte auch neue Not: Rosenthal versuchte, einige seiner Beschützerinnen vor Vergewaltigungen zu retten und nahm dafür Prügel in Kauf. Und nur durch das Aufsagen eines jüdischen Gebets entging er dem gefährlichen Verdacht, ein untergetauchter SS-Mann zu sein. Hans Rosenthal sagte später:

„Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke, waren es diese drei Frauen aus der Kolonie Dreieinigkeit […] deren Hilfe es mir bis heute möglich gemacht hat, nach der für uns jüdischen Menschen so furchtbaren Zeit unbefangen in Deutschland zu leben, denn diese Frauen hatten ihr Leben für mich gewagt.“